Die Schufa Holdig AG hält sich ja im Allgemeinen über die Faktoren der Scorebildung mehr als bedeckt. Das Landgericht Berlin hat nunmehr einem Auskunftsanspruch stattgegeben und sich von dem Argument, die Berechnung eines Scorewertes sei ein Geschäftsgeheimnis, nicht beeindrucken lassen.
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Schufa Holding AG
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form Auskunft darüber zu erteilen, wie es zu dem schlechten Branchen-scorewert in Höhe von Kategorie “I” kommt, indem sie Auskunft darüber erteilt, welche Merkmale zur Scoreberechnung in welcher Gewichtung eine Rolle spielen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 546,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2011 zu zahlen
Der Kläger ist ein solventer Wirtschaftsberater, die Beklagte die bekannte Kreditauskunftei. Sie ermittelt u. a. sog. Scores, anhand derer die Kreditwürdigkeit von Personen bemessen wird. Der Kläger begehrt, im Wege der Stufenklage, u. a. Auskunft von der Beklagten über eine von ihr am 17. Juni 2010 erteilte Information zu seinem Scoring. Des weiteren macht der Kläger Schadensersatz geltend.
Die Beklagte ermittelt Scoring-Werte über die Bonität von Personen anhand von ihr gemeldeten Daten. Sie ermittelt einen Basisscorewert sowie branchenspezifische Score-Werte, die von einander abweichen können. Zur Ermittlung der Score-Werte ordnet die Beklagte die Person einer Gruppe mit gleichen oder ähnlichen Merkmalsausprägungen zu und ermittelt, ob und in wie vielen fällen es in der jüngsten Vergangenheit bei der jeweiligen Vergleichsgruppe zu Zahlungsstörungen gekommen ist.
Bei der Beklagten sind keine Daten zu einem Zahlungsausfall seitens des Klägers (sog. Negativdaten) gespeichert.
Der Kläger beabsichtigte, über den Kreditvermittlungsdienstleister “▄” ein Darlehen zu erhalten. “▄” holte dazu eine Auskunft bei der Beklagten ein. Im Hinblick auf den Branchen-scorewert “Spezialkreditinstitute”, zu denen die Beklagte “▄” zählt, ermittelte die Beklagte einen Scorewert der Kategorie “I”; dies bedeutet konkret einen Bonitätswert von 79,05 %. Der Kläger fiel insoweit in die Gruppe von 5 % der Bevölkerung mit schlechter Bonität. Mit Schreiben vom 21. Juni 2010 teilte “▄” dem Kläger mit, dass sie nur Kredite für die Bonitätsklassen A – H vermittele und begründete damit ihre Absage.
Am 8. Juli 2010 holte der Kläger eine Auskunft bei der Beklagte zu seinem Basisscorewert ein, den die Beklagte mit 94,43 % angab. Die Beklagte wies darauf hin, dass es sich um einen von Branchen, Unternehmen und einzelnen Geschäftsarten unabhängigen Orientierungswert handele, von dem branchenspezifische oder individuelle Scores abweichen könnten.
Am 20. Juli 2010 teilte die Fa. ▄ AG dem Kläger auf eine Anfrage mit, dass sie einen Leasingvertrag nur bei Stellung einer Bankbürgschaft abschließen würde.
Mit Schreiben seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 10. September 2010 verlangte der Kläger von der Beklagten Auskunft über den Scorewert sowie Löschung und Unterlassung. Weiterhin gaben die Prozessbevollmächtigten die Zahlung ihrer Kosten in Höhe von 1.574,85 €, berechnet nach einem Gegenstandswert von 25.000,00 € und einer 1,9 Gebühr. Zur Erfüllung setzten sie eine Frist bis zum 24. September 2010.
Nach einer Zwischennachricht antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 19. Oktober 2010, das abstrakte Erläuterungen zur Ermittlung des Scorewerts enthielt.
In der Folge konnte der Kläger zwei Girokontenverträge und einen Mobilfunkvertrag abschließen.
Nach Klageerhebung erteilte die Beklagte dem Kläger Auskunft über seine Daten mit Stichtag 16. Februar 2011. Wegen des Inhalts wird auf die Anlage B 1 zur Klageerwiderung verwiesen.
Der Kläger behauptet, aufgrund der schlechten Kategorie sei ihm der Abschluss eines Leasingvertrags mit der Firma ▄ verweigert worden. Es sei ihm nicht mehr möglich, kredit- oder kreditähnliche Geschäfte abzuschließen.
Er wünsche eine konkrete Auskunft über die Parameter der Scoreberechnung anhand seines Datenbestandes.
Der Kläger beantragt, nach Modifikation des Antrags zu 1,
1. in der ersten Stufe die Beklagte zu verurteilen, ihm einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form Auskunft darüber zu erteilen, wie es zu dem schlechten Branchenscorewert in Höhe der Kategorie “I” kommt, welche Merkmale zur Scoreberechnung in welcher Gewichtung eine Rolle spielen,
2. festzustellen, dass sie Beklagte verpflichtet ist, ihm den entstandenen und den zukünftig noch entstehenden Schaden zu ersetzen, der aufgrund des schlechten Branchenscore-Wertes in der Kategorie “I” entstand und aufgrund der Übermittlung dieses Wertes an Dritte,
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn die außergerichtlich angefallene Geschäfts-gebühr gemäß §§ 13, 14, Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.900,43 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Oktober 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Klage unzulässig sei, weil der Klageantrag nicht vollstreckungsfähig sei.
Sie habe keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben, da sie bereits mit Schreiben vom 19. Oktober 2010 eine hinreichende Auskunft gegeben habe. Jedenfalls liege in der Auskunft vom Februar 2011 eine Erfüllung des Auskunftsanspruchs des Klägers.
Über die exakte Gewichtung der einzelnen Berechnungselemente müsse keine Auskunft gegeben werden. Im übrigen liege darin ein – nicht zu offenbarendes – Geschäftsgeheimnis.
Wegen des weitergehenden Vortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schrift-sätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet. Dem Kläger steht insbesondere ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu (§ 34 Abs. 4 BDSG).
1.
Die Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 1 zulässig. Insbesondere ist der Antrag zu 1, jedenfalls nach der Modifikation in der mündlichen Verhandlung, hinreichend konkret, um den Streitgegen-stand zu bestimmen. Es ist deutlich, dass der Kläger die Elemente, die den Score-Wert “I” bestimmen erfahren möchte. Dies ist für die Vollstreckbarkeit und damit für die Bestimmtheit ausreichend (Zöller-Greger ZPO 28. Aufl. § 253 Rdnr. 13).
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Auskunft im Rahmen des von § 34 Abs. 4 BDSG vorgesehenen Umfang zu. Insbesondere besteht ein Anspruch auf Auskunft über “das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte” (§ 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BDSG). Im Rahmen des dem Auskunftsanspruch immanenten Transparenzgedankens ist dem Auskunftsberechtigten auch die zu Grunde Liegende Datenbasis mitzuteilen. Der Auskunftsberechtigte soll sein zukünftiges Verhalten daran orientieren können (Gola/Schomerus BDSG 10. Aufl. 2010 § 34 Rdnr. 12 d). Ggf. muss er auch die Möglichkeit haben, auf Korrektur drängen zu können.
An den dazu notwendigen Angaben fehlt es vorliegend. Die Auskunft vom 16. Februar 2011 enthält keine ausreichende Information, das Schreiben vom 19. Oktober 2010, das sich in allgemei-nen Angaben erschöpft, erst recht nicht. Der Anspruch des Klägers ist damit nicht durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
Dem Kläger ist vielmehr mitzuteilen, welche Elemente die Score-Berechnung beeinflussen. So sind jedenfalls Angaben zur Vergleichsgruppe zu machen, in die der Kläger eingeordnet wird. Nur so kann er feststellen, ob er tatsächlich in diese Gruppe fällt oder ob die Zuordnung fehlerhaft geschieht. Die Beklagte hat darüber Auskunft zu erteilen, welche Daten sie zu einer Bewertung des Zahlungsverhaltens der Vergleichsgruppe führt. Weiterhin ist anzugeben, welchen Einfluss die der Beklagten vorliegenden persönlichen Daten auf die Bildung des Scorewerts hat.
Diese Auskünfte hat die Beklagte nicht erteilt. Die in der Auskunft vom 16. Februar 2011 enthaltenen auf den Kläger bezogenen Einschätzungen unter dem Stichwort “Aktuelle Wahrscheinlichkeitswerte” enthalten keinerlei konkrete Angaben zur Scorewert-Bildung. Es wird nur auf ein Risiken Bezug genommen, die mit den Worten “(deutlich) überdurchschnittlich, durchschnittlich, unter-durchschnittlich” näher charakterisiert werden. Warum diese Einschätzungen dergestalt erfolgen, wird mit keinem Wort näher erläutert. Da auch die Bildung der Vergleichsgruppe nicht näher erläutert wird, ist vollkommen unklar, ob die Bewertung durch die Beklagte nicht vollständig willkürlich ist.
Dem kann die Beklagte auch nicht den Bericht des hessischen Datenschutzbeauftragten vom 15. Februar 2005 entgegenhalten. Zum einen ist dieser schon fünf Jahre alt, die letzte Neufassung des BDSG jedoch erst am 1. April 2010 in Kraft getreten. Zum anderen ist der Bericht nicht zwangsläufig richtig.
Auch kann sich die Beklagte nicht auf ein Geschäftsgeheimnis berufen. Das Geschäftsgeheimnis ist im Rahmen des Auskunftsanspruchs gemäß § 34 Abs. 1 BDSG zu berücksichtigen, wie in der Vorschrift explizit formuliert. In § 34 Abs. 4 BDSG hat dies keinen Eingang gefunden. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass es sich dabei um eine planwidrige Lücke im Gesetz handelt. Denn der Gesetzgeber hat die Problematik gesehen, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser Punkt mit Absicht keinen Eingang in die Regelung des § 34 Abs. 4 BDSG gefunden hat. Die Ansicht des LG Hannover in seinem Urteil vom 16. September 2011 wird daher nicht geteilt. Im Übrigen bleibt die Berufung der Beklagten auf eine Geschäftsgeheimnis unsubstantiiert. Sie stellt nicht dar, inwieweit die Offenlegung welcher Daten ihren Geschäftsbetrieb beeinträchtigen könnte. Im Urteil des LG Hannover wird ebenfalls nicht näher begründet, warum die dort angesprochene Scoreformel tatsächlich ein Geschäftsgeheimnis darstellen soll.
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